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Julius Baumann ist 27 Jahre alt und studiert seit Oktober 2018 an der Universität Passau Journalistik und Strategische Kommunikation (JoKo). Aufgrund seiner Beeinträchtigung durch Athetose mit Ataxie sitzt er im Rollstuhl und steht vor gewissen Herausforderungen im Unialltag, bei der Wohnungssuche und im täglichen Leben. Doch Julius lässt sich nicht unterkriegen und meistert sein Studium an der Uni Passau. Wie er das schafft, hat er uns im Interview erzählt.

Hallo Julius. Zum Einstieg: Bitte stell dich uns kurz vor.
Mein Name ist Julius und ich bin 27 Jahre alt. Geboren wurde ich in Baden-Württemberg, in Göppingen. In Neckargemünd ging ich auf die Schule und seit Oktober 2018 lebe ich in Passau, wo ich im Bachelor „Journalistik und Strategische Kommunikation (JoKo)“ studiere.

Warum hast du dich für Passau als Studienort entschieden?
Ich hatte mich in Marburg, Mainz und Passau für verschiedene Studiengänge beworben und überall eine Zusage bekommen. Weil ich später als Journalist arbeiten möchte, habe ich mich für den Studiengang „Journalistik und Strategische Kommunikation“ entschieden. Als Nebenfach habe ich später Politikwissenschaft gewählt. Das passt gut zusammen. Mein Ziel ist es, Journalist zu werden und bei einer Zeitung zu arbeiten. Ich wollte also unbedingt nach Passau und bin froh, hier zu sein.

War es schwierig, in Passau ein barrierefreies Appartement zu finden?
In Passau gibt es nicht viele barrierefreie Wohnungen und da ich zwei unterschiedlich große Rollstühle habe, muss genug Platz vorhanden sein. Ich hatte Glück: Nach meiner Ankunft in Passau hat mir Frau Penteker von der Sozialberatung des Studierendenwerks geholfen und den Kontakt zu Frau Kronawitter vom Studentischen Wohnen hergestellt. Frau Kronawitter hat mir dann mitgeteilt, dass es noch ein freies Apartment in der Wohnanlage Donau-Schwaben-Straße gebe und dass ich mir das Apartment anschauen könne. Glücklicherweise ist das Apartment ausreichend groß für meine Rollstühle. Ich wohne hier seit Studienbeginn in einer rollstuhlgerechten 2er-WG. Im zweiten Zimmer wohnt meine Mutter, die mir im Alltag hilft.

Wie lebt es sich in der Wohnanlage? Gefällt dir dein Apartment?
Mir gefällt es hier sehr gut. Nur der Gemeinschaftsraum ist leider nicht barrierefrei, da dieser nur über Treppen erreichbar ist. Das ist schade, denn dadurch ist es schwierig, andere Mieter zu treffen. Im Winter ist es manchmal schwierig mit dem Rollstuhl auf dem Berg vor der Wohnanlage zu fahren. Für längere Strecken wie zum Beispiel dem Weg zur Uni nehmen wir das Auto. Die Uni hat uns einen Behindertenparkplatz reserviert.

Wie läuft dein Studium an der Uni Passau?
Aktuell bin ich im 3. Semester und bisher habe ich alle Prüfungen bestanden. Die Uni ist top und super ausgestattet für Studierende im Rollstuhl! Auch im Hochschulsport gibt es passende Angebote. Ich spiele jeden Dienstag Schach an der Uni, aber es gibt noch weitere Sportarten für Studierende mit Behinderung. Trotzdem bin ich der einzige Student im Rollstuhl beim Schach und im Jahrgang meines Studiums.

Zurzeit arbeite ich in einem Kooperationsprojekt mit der „Passauer Neuen Presse“ und schreibe dort Artikel für die Sportredaktion. Außerdem wollte ich dieses Semester gemeinsam mit einem Kommilitonen eine Hochschulgruppe für Studierende mit Beeinträchtigung ins Leben rufen. Zusammen mit der Sozialberatung des Studierendenwerks haben wir den Versuch eines Kennenlernfrühstücks gestartet, doch leider ist niemand gekommen. Wenn ich mehr Zeit habe, möchte ich mich wieder um die Gründung einer integrativen Hochschulgruppe kümmern. Aktuell bin ich sehr mit meinen Kursen beschäftigt.

Wo können sich Studierende mit Handicap an der Uni beraten lassen?
Die Sozialberatung des Studierendenwerks berät Studierende mit Handicap. Hilfe gibt es überall durch Frau Penteker. Sie hat mir alles supertoll erklärt und gibt Orientierung an der Uni und in Passau. Auch Frau Dr. Bunge, Behindertenbeauftragte der Uni Passau, bietet individuelle Beratung an. An der Uni helfen mir auch zwei studentische Assistenten, die mit mir in Vorlesungen gehen und für mich mitschreiben. Dr. Bunge hat mir die Assistenten vermittelt. Die Uni ist wirklich top!

Wie gut ist die Stadt Passau auf Menschen im Rollstuhl eingestellt?
Die Uni ist super, aber in der Stadt ist es leider schwierig. Es gibt kaum Rampen für den Zugang in Gebäude. Ich würde gerne tanzen gehen, kann aber nicht in Diskotheken, da der Zugang nur über Treppen möglich ist. Im Sommer ist es besser, da Vieles im Freien stattfindet.

Was machst du, wenn du gerade nicht an der Uni studierst?
Ich lese gerne, spiele Schach und mag Sport (in) jeglicher Art. In meiner Schulzeit habe ich Rollstuhlhockey gespielt. Außerdem gucke ich gerne Fußball und bin großer Dortmund-Fan.

Im Sommer war ich für sechs Wochen mit meiner Mutter bei ihrer Familie in Peru, in der Hauptstadt Lima. Der zwölfstündige Flug von Stuttgart war eine Herausforderung. Die Stadt und die Autos sind überhaupt nicht für Menschen im Rollstuhl eingerichtet. Furchtbar! Aber ich war viel auf Familienpartys und das peruanische Essen war sowieso meine erste Priorität! Da meine Mutter aus Peru kommt, bin ich zweisprachig aufgewachsen und spreche neben Deutsch auch fließend Spanisch. In der Schule habe ich dann auch noch Französisch und Englisch gelernt.

Wie häufig verreist du?
Häufig ist schwer zu definieren. Ich war schon in Tschechien, Berlin und Spanien. Dort lebt der Bruder meiner Mutter. Ich verreise aber nicht jedes Jahr, vielleicht alle drei bis vier Jahre. Es ist nicht einfach, im Rollstuhl zu verreisen. In Peru waren wir zum Beispiel mit einem Schieberolli, weil der Transport mit dem Elektrorolli im Flugzeug schwierig ist. Er ist sehr sperrig und im Flugzeug muss der Akku leer sein.

Kannst du uns etwas über deine Behinderung erzählen?
Nach meiner Geburt wurde nach einem Tag ein postnataler Sauerstoffmangel festgestellt. Die medizinische Bezeichnung ist Asphyxie. Helene Fischer hat meine Geschichte geklaut („Atemlos durch die Nacht“)!

Ich bin also gesund auf die Welt gekommen, aber schon nach einem Tag wurde ich tot aufgefunden und musste reanimiert werden. Wir wissen bis heute nicht genau, was passiert ist. Ich lag 14 Tage auf der Intensivstation und sitze seitdem im Rollstuhl. Die Behinderung setzt mein motorisches Zentrum außer Gefecht und deswegen habe ich auch eine Sprachstörung, weil ich nicht deutlich sprechen kann. Glücklicherweise hat meine Mutter früh festgestellt, dass ich zwar körperlich behindert, aber geistig voll da bin.

Julius, vielen Dank für das Interview.